1. September 2020

Wie brennende Regenwälder auch das Weltklima zerstören

In einem Interview gibt Prof. Dr. Siegert einen Einblick in seine Arbeit.

Am 13. September (Sonntag, 16-17 Uhr) hält Prof. Dr. Florian Siegert von der Universität München einen Vortrag in der KLIMA ARENA in Sinsheim mit dem Thema „Die tropischen Regenwälder brennen – was hat das mit uns zu tun?“

Prof. Dr. Florian Siegert

Der Vortrag ist kostenlos, bzw. im Eintrittspreis für die KLIMA ARENA enthalten und erfordert eine Anmeldung.

Herr Professor Siegert, Sie beschäftigen sich schon lange mit der weltweiten Zerstörung der Regenwälder? Wie viele dieser für das Weltklima so wichtigen Flächen werden jährlich etwa vernichtet?
„Die Auswertung von Satellitenbildern zeigen die Zerstörung von etwa 50 bis 100.000 Quadratkilometern pro Jahr, je nachdem welche Wälder man zu den tropischen Wäldern rechnet. Zudem ist die Vernichtungsrate von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Gruppen von Umwelt-Aktivisten operieren teilweise mit höheren Werten. .“

In 2019 waren es 12 Millionen Hektar, das entspricht ungefähr einem Drittel der Landesfläche von Deutschland, davon etwa 4 Millionen Hektar der besonders wichtigen und artenreichen feucht-tropischen Primärwälder. Was hat das für Folgen für uns? Für das Weltklima?
„Oft werden die Regenwälder mittels Feuer gerodet. Diese Waldbrände führen zu einer sehr großen Freisetzung von CO2, dem Treibhausgas Kohlendioxyd. Denn im tropischen Regenwald ist in der Biomasse sehr viel Kohlenstoff gespeichert. Die Brände in den Tropen spielen insofern eine große Rolle für das Weltklima. Schätzungen gehen davon aus, dass fünf bis 10 Prozent des freigesetzten C02 auf sie zurückzuführen sind.“

Wodurch werden die tropischen Regenwälder hauptsächlich vernichtet? Und wo sind sie besonders stark bedroht?
„Verursacht wird die Zerstörung meist durch gelegte Feuer, um Flächen für Ackerbau und Viehzucht zu gewinnen, die sich bei Trockenheit in große, unkontrollierbare Waldbrände entwickeln. Oft sind diese Wälder durch industriellen Holzeinschlag vorgeschädigt. Das Bevölkerungswachstum ist ein weiterer Grund hierfür. Ich beobachte die Entwicklungen seit 1995 und allein in dieser Zeitspanne ist die Weltbevölkerung von sechs auf acht Milliarden Menschen angewachsen. Diese Menschen brauchen Nahrung, wofür Land benötigt wird. Betroffen sind besonders die ärmeren Länder der Tropen auf allen Kontinenten. Der Umweltschutz spielt dort meist eine geringe Rolle. Und wir haben oft nur wenig Einfluss, dies zu verändern.“

Muss man nicht trotz allem auch ein gewisses Verständnis aufbringen, wenn durch Rodungen Land gewonnen wird, das zur Ernährung von Menschen genutzt wird?
„Es ist eine Tatsache, dass die Entwaldung auch durch rasantes Bevölkerungswachstum wie in Indonesien, wo die Zahl der Menschen auf mittlerweile 270 Millionen angestiegen ist, hervorgerufen wird. Wenn die Rodungen für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden, selbst mit Palmöl-Plantagen, dann ist das sinnvoll, denn Palmöl hat einen bis zu acht Mal höheren Ertrag als zum Beispiel Raps-, Kokos- und Sonnenblumenöl. Und die 3 Milliarden Menschen in Asien brauchen Palmöl, um sich Mahlzeiten zuzubereiten. Aber es wird zum Treiber der Zerstörung, wenn wir es in Europa als Zusatz im Biosprit verwenden. Dann ist die Umweltbilanz verheerend.“

Man konnte vor einigen Jahren den Eindruck gewinnen, dass die Zerstörung der Regenwälder rückläufig wäre. Aber seitdem Jair Bolsonaro in Brasilien Präsident wurde, scheint das Gegenteil der Fall zu sein. Deckt sich das mit Ihren Beobachtungen? Sie lehren ja nicht nur an der Uni München, sondern betreiben mit RSS auch ein Unternehmen, das Satellitendaten aus der Erdbeobachtung analysiert.
„Der politische Wechsel zu Bolsonaro hat die Entwicklung weit zurückgeworfen. Wir können eine deutliche Zunahme der Waldbrände beobachten. Ein bisschen Hoffnung haben wir, weil wir mit immer besseren Satellitenbeobachtungen die Vorgänge immer besser und schneller erfassen können. Mit beweisbaren Fakten lässt sich besser politischer Druck aufbauen, um nachhaltige Entwicklung einzufordern“

Wenn die „Lungen der Erde“ in Flammen aufgehen, geht damit auch unglaubliche Vielfalt an Pflanzen und Tieren verloren. Was können wir tun? Was kann jeder einzelne leisten, damit Vernunft einkehrt und die Zerstörung der wertvollen Regenwälder aufhört?
„Wir sollten eine bedacht sinnvolle Lebensweise pflegen, nichts verschwenden, nicht zu viel Fleisch essen, regional einkaufen. Viele verantwortungsvolle Handlungsweisen im täglichen Leben von 82 Millionen Einwohnern in Deutschland oder von 440 Millionen in der EU könnte schon viel bewirken.“

Erkennen Sie auf internationaler Ebene Fortschritte? Wie könnte auf die Politik in den Ländern mit Regenwäldern Einfluss genommen werden?
„Mit RSS beraten wir die indonesische Regierung bei der Renaturierung von Waldbrandflächen und einer besseren Landnutzungsplanung wie der Erschließung neuer Flächen für Palmöl-Plantagen. Lange wurden Plantagen weitgehend planlos in wertvollen torfhaltigen Wäldern angelegt. Inzwischen wird das Vorgehen besser kontrolliert und die Emissionen von CO2 reduziert. Solche Pläne sollte man jetzt schon für Afrika entwickeln. Wenn wir keine Aufklärungsarbeit leisten, könnte dort bald wegen der zu erwartenden wirtschaftlichen Entwicklung und des großen Bevölkerungswachstums der Regenwald in großem Umfang gerodet werden. Mit dem Wissen und dem technologischen know-how in der Satelliten-Datenauswertung kann Deutschland in Afrika – und woanders – wertvolle Unterstützung geben und dazu beitragen, extreme Fehlentwicklungen zu verhindern.“

Text: Joachim Klaehn

Weitere Informationen zum Vortrag und zur Anmeldung finden Sie hier.