25. Februar 2021

„Mich hat es total begeistert, wie viele sich für Upcycling begeistern“

Der Upcycling-Wettbewerb der KLIMA ARENA im Rahmen der Sonderausstellung „use-less – Slow Fashion gegen Verschwendung und hässliche Kleidung“ stieß auf herausragende Resonanz. Insgesamt gab es 228 Einsendungen – darunter mehr als 200 Teilnehmende – und über 700 Abonnenten und mehr als 30.000 Likes auf unserem eigens dafür eingerichteten Account bei Instagram.

Wir präsentieren hiermit die drei Gewinnerinnen Mareile aus Hannover, Sophia aus Heidelberg und Katharina aus Böblingen – und haben ihnen einige Fragen zum facettenreichen Themenkomplex „Upcycling“ gestellt, die sie motiviert und einfallsreich beantwortet haben. Darunter befinden sich auch wertvolle Tipps zum Aussortieren des eigenen Kleiderschranks.

Oben: Die Erstplatzierte Mareile Jensen (23 Jahre) studiert Modedesign in Hannover. (Foto: Jan Nasemann)

Unten links: Die Zweitplatzierte Sophia K. (31), eine gebürtige Berlinerin, studiert Bildungswissenschaft und Psychologie an der Universität Heidelberg. (Foto: privat)

Unten rechts: Die Drittplatzierte Katharina Ressel (23) wohnt in Böblingen bei Stuttgart und studiert Textil-Ingenieurwesen. (Foto: privat)

 

Hast Du die KLIMA ARENA vor der Teilnahme am Wettbewerb gekannt? Wie wichtig sind Dir Themen zur Nachhaltigkeit und zum Klimaschutz generell?

Mareile: Die KLIMA ARENA wurde schon ab und an mal von meiner Dozentin erwähnt. Richtig kennengelernt habe ich sie aber erst durch den Wettbewerb.

Sophia: Jein, ich war zwar noch nie dort, aber ich bin durch meine Dozentin Dr. Leona Sprotte-Huber auf die KLIMA ARENA aufmerksam geworden. Mir sind die Themen sehr wichtig, dabei sehe ich beispielsweise nicht nur den Umweltschutz als bedeutend an, sondern auch die soziale Komponente der Nachhaltigkeit.

Katharina: Ich habe die KLIMA ARENA davor nicht bewusst gekannt und bin nur durch eine Freundin auf den Wettbewerb aufmerksam geworden. Das Thema Klima und Nachhaltigkeit ist mir sehr wichtig. Ich habe in den letzten Jahren auch viel persönlich geändert, um nachhaltiger zu werden, u.a. vegan zu leben und nur Second Hand zu shoppen.

 

Hat der Wettbewerb bei Dir mit ausgelöst, noch nachhaltiger zu denken und zu handeln?

Mareile: Durch mein Modedesign-Studium, in dem ich mich die letzten Projekte mit nachhaltigen Designstrategien beschäftigt habe, war ich mit dem Thema schon vorher vertraut. Die Sachen, die ich bei dem Wettbewerb eingereicht hatte, waren die Abgabe von meinem ersten Hauptprojekt und damit auch mein Startschuss in die Welt des Upcyclings. Mich hat es total begeistert durch den Wettbewerb zu sehen, wie viele sich für Upcycling begeistern. Egal ob Studierende oder Hobbyschneiderinnen und -schneider, da sind so viele tolle Sachen bei rumgekommen. Mir selbst macht es so viel Spaß, dass ich in meinem jetzigen Hauptprojekt wieder upcycelt habe. Diesmal waren es alte Kochschürzen und Baseball-Caps. Mein Ziel ist es später in einem Unternehmen zu arbeiten, in dem ich damit weiter machen kann.

Sophia: Ja, denn ich habe mich durch die Teilnahme gedanklich mehr mit dem Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt, wodurch natürlich auch mein Handeln beeinflusst wurde.

Katharina: Nicht direkt, weil ich mich davor schon sehr zentral mit dem Thema auseinandergesetzt habe. Ich habe am Wettbewerb auch nicht unter dem Aspekt Nachhaltigkeit teilgenommen, sondern wegen der Kreativität und der Herausforderung, aus etwas Bestehendem etwas Neues zu machen.

 

Was genau – oder gar wer – hat Dich zu Deiner Idee und Deinem „Meisterwerk“ inspiriert?

Upcycling-Fashion-Wettbewerb Platz 1: Mareile JensenMareile: Von meiner Dozentin Frau Glomb habe ich das Upcyclen kennengelernt. Sie hat mir den ersten Schubs in die richtige Richtung gegeben. Durch sie lerne ich immer mehr über nachhaltige Designstrategien. Danach wurde mein Projekt von den Sklaven inspiriert, die damals aus Afrika nach Amerika entführt wurden. Sie hatten meist nicht mehr als alte Fetzen zum Tragen. Daher kam die Idee, alte Kleidung auseinanderzuschneiden und neu zusammenzunähen. Vor allem das Patchwork ist davon inspiriert.

 

 

 

Upcycling-Fashion-Wettbewerb Platz 2: Hye Hyon Sophia KangSophia: Tatsächlich war es der Wettbewerb selbst. Obwohl ich schon vorher viel geupcycled habe, wollte ich gerne ein Kleidungsstück produzieren, das nicht nur durch die Wiederverwendung des Materials, sondern auch durch das Design nachhaltig ist. Deshalb habe ich mich für einen Trenchcoat entschieden, der als Kleidungsstück selber zeitlos ist und dadurch auch länger getragen werden kann. Zudem hatte ich nicht so viel Verschnitt, was natürlich auch eine Rolle beim nachhaltigen Nähen hat.

 

 

 

Upcycling-Fashion-Wettbewerb Platz 3: Katharina ResselKatharina: Ich habe online gesehen, wie jemand ein Korsett über einem Nike-Top getragen hat, da dachte ich mir, warum das eigentlich nicht gleich verbinden! Außerdem wollte ich mich testen, ob ich es hinbekomme, ein Korsett zu nähen – auch wenn ich das vorher noch nie versucht habe. Dazu kommt, dass ich Stilbrüche mag und etwas Sportliches wie ein Nike-Shirt mit etwas Klassischem wie einem Korsett verbinden wollte.

 

 

 

 

Vor dem Aussortieren ist der Blick in den eigenen Kleiderschrank zentral. Welche drei wesentlichen Tipps würdest Du anderen geben?

Mareile: 1. Überleg dir, wie lange du das Teil nicht mehr anhattest und wieso nicht. Oft klammert man sich an Sachen, die man letztendlich schon seit Jahren nicht mehr anhatte. Meist wird es auch ungetragen bleiben. 2. Hast du Teile im Schrank, die du selbst nie anziehst, aber deine Freunde schon öfter mal bewundert oder gar ausgeliehen haben? Gib sie an sie weiter. Sich von Sachen zu trennen, weil man sie Menschen gibt, die man gern hat, ist leichter und macht Spaß! 3. Alte, dreckige Shirts müssen nicht sofort weggeschmissen werden. Versuch ihnen durchs Färben einen neuen Look zu verleihen. Im Internet gibt es tolle, umweltfreundliche Tipps dazu.

Sophia: 1. Einstellung ändern: Emotionen für Kleidungsstücke (generell für Konsumgüter) versuchen, auszuschalten. 2. Kategorisieren: Zwei Kleidungshäufchen bilden: a. Habe ich in den letzten 8 Monaten getragen, b. Habe ich nicht in letzten 8 Monaten getragen. 3. Radikal sein: Alles was nicht in den letzten 8 Monaten getragen wurde, wird aussortiert (entweder zum Upcyclen, Spenden, Verschenken, Wiederverkaufen).

Katharina: Der erste Tipp ist zwar nicht von mir, aber es ist dennoch sehr hilfreich und wahr: wenn das Teil dir keine Freude bringt, wenn du es ansiehst, dann kommt es weg. Tipp zwei fängt schon beim Einkaufen an, wenn du zu lange überlegen musst, ob du es kaufen willst, dann ist es das nicht wert. Das Teil muss einen anspringen und schreien: kauf mich! (lacht) Tipp drei: Sortiere aus und lege die Sachen nur mal bei Seite, wenn du sie drei Monate nicht vermisst, dann werden sie dir später auch nicht fehlen (gilt nicht bei Winterjacken!).

 

Was müsste Deiner Meinung nach geschehen, um Upcycling, Second Hand etc. noch salonfähiger zu machen?

Mareile: Ich finde, junge Menschen sollten schon viel früher dafür begeistert werden. Als ich noch jung war, wusste ich kaum etwas über Second-Hand-Läden. Die einzige Verbindung, die ich dazu hatte, war durch meine Mutter, die immer unsere alten Spielsachen dort hingebracht hat. Ich selbst bin mit meinen Freundinnen in die typischen Läden wie H&M gegangen, einfach weil wir es nicht anders kannten. Hätte man uns schon früher von Läden erzählt, in denen man Sachen kriegt, die sonst keiner hat und dann auch noch für einen günstigen Preis angeboten werden, wären wir mit Sicherheit öfter mal dahin gegangen. Zusätzlich könnte man in Schulen Workshops anbieten, in denen man aus alten Kleidern durch leichte Methoden neue, coole Sachen macht. So könnte man früher auf wichtige Themen wie zu großer Konsum/mehr Wertschätzung und schlechte Arbeitsbedingungen in armen Ländern aufmerksam machen. Ich weiß noch wie ich damals die Taschen bewundert habe, die aus alten Jeanshosen gemacht wurden. Hätten wir damals jemanden gehabt, der meinen Freundinnen und mir gezeigt hätte wie das geht, hätten wir uns bestimmt an unseren alten Kleidern ausgetobt.

Sophia: Nicht jeder hat Interesse oder Spaß am Upcycling. Vielleicht wäre aber ein Ansatz, im Rahmen von Projektwochen etwa an Schüler*innen heranzutreten und Möglichkeiten/Techniken zum Upcycling vorzustellen und durchzuführen. Bei Second Hand glaube ich, dass das Einkaufen von gebrauchter Ware bzw. Materialien attraktiver werden könnte, wenn große Mode-Unternehmen einen Teil dazu beitragen würden. Beispielsweise könnten sie, statt Textilien neu zu produzieren, alte/gespendete/aufgekaufte Textilien wiederverwerten und dies so deklarieren. So könnten auch Personengruppen angesprochen werden, die sonst dem Second Hand abgeneigt wären. Dieser Prozess würde auch mit einem gewissen Bewusstsein einhergehen.

Katharina: Ich denke gerade in den jüngeren Generationen wird es das langsam schon, aber allgemein müssten dafür mehr Plattformen wie zum Beispiel Momox Fashion entstehen, wo man Second Hand nach Hause bestellen kann (so viele Leute bestellen heutzutage nur noch) – und gleichzeitig aber auch wieder zurück schicken kann. Gäbe es mehr gut sortierte (!) Online-Second-Hand-Versandhäuser, würden sicher mehr Menschen die Chance nutzen. So ist es immer noch sehr zeitaufwändig, etwas zu finden und oft mit dem Risiko verbunden, dass man es nicht umtauschen kann oder sich gar mit Betrügern auf eBay ärgern muss. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, plant auch Zalando einen Second-Hand-Handel zu eröffnen und ich denke, dass das in Zukunft mehr Second-Hand-Kleidung an die Menschen bringt.

 


Unsere Jury

 

Wie bewertest Du die Zukunft der Fast-Fashion-Modeindustrie?

Mareile: Ich hoffe, dass in der Zukunft neue Gesetze erlassen werden, die die Überproduktion und die schlechten Arbeitsbedingungen besser in den Griff kriegen. Ein kleiner Schritt in die richtige Richtung ist zum Beispiel das Lieferkettengesetz, das 2023 in Kraft tritt. Dadurch sind Unternehmen dazu verpflichtet, entlang ihrer Lieferkette Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu vermeiden. Das Gesetz weist noch viele Lücken auf, trotzdem regt es die Politik dazu an, sich dem Thema zu widmen und neue Gesetze auf den Weg zu bringen.

Sophia: Ich glaube und hoffe, dass die Fast-Fashion-Industrie keine lange Zukunft haben wird. Ich habe subjektiv das Gefühl, dass das Bewusstsein gegenüber nachhaltiger und auch qualitativ hochwertigerer Kleidung steigt und auch immer mehr auf faire Produktion geschaut wird. Unternehmen müssen ihre Produktionswege transparent machen und sind daher auch gewissermaßen gezwungen, für faire Verhältnisse zu sorgen. Das bringt natürlich Hoffnung, dass sich auch die kommerzielle Modeindustrie immer mehr nachhaltig verhält.

Katharina: Ich wünschte, ich könnte sagen, dass sie weniger und unbeliebter wird, aber das wird nicht so schnell passieren, denke ich. Viele Menschen sind sich der Problematik der Fast-Fashion-Industrie bewusst, doch am Ende des Tages kaufen sie trotzdem lieber bei H&M als Second Hand, weil es günstiger und einfacher ist. Deshalb denke ich, dass es noch eine Weile brauchen wird bis sich die Industrie ändert.

 

Ein mutiger Ausblick Richtung 2030 oder gar 2050: Wie wird Upcycling mehr als „nur“ ein Trend? Wie kann Slow Fashion oder Future Fashion aus der Nischen-Schublade gezogen werden?

Mareile: Dass es ein Trend ist, ist ja für den Anfang eigentlich gar nicht so schlecht. So werden vor allem Jugendliche damit vertraut gemacht. Man muss nur irgendwie dafür sorgen, dass es ein langanhaltender Trend bleibt. Es gibt immer mehr junge Designerinnen und Designer, die sich komplett auf die Verwendung alter Materialen spezialisieren. Ich hoffe, dass sich das in Zukunft noch weiter ausdehnt und zu einer Norm in unserer Gesellschaft wird.

Sophia: Upcycling ist vielleicht ein neuer Begriff, aber die Idee und die Umsetzung dahinter ist nicht neu. Wenn sich Upcycling im Leben vieler Menschen implementieren würde, fände ich das natürlich wundervoll. Dass das aber jeder Einzelne betreibt, halte ich für utopisch, denn es bürgt nicht nur ein hohes Maß an Commitment, sondern auch an Kreativität und Handwerkskunst. Was ich trotzdem glaube, ist, dass die Bildung dahingehend eine relevante Rolle spielt. Junge Menschen, die wahrscheinlich anfälliger für Fast Fashion sind, sollten darüber aufgeklärt werden, aus welchen Stoffen ihre Kleidung bestehen, was die Produktion für Auswirkungen auf die Umwelt hat, was für soziale Folgen sie mitsichtragen etc. Damit möchte ich sagen, dass Aufklärung und Bildung dahingehend unabdingbar sind, damit die Menschen verstehen, was der Kauf eines einzelnen Kleidungsstücks bedeutet.

Katharina: Aus dieser Schublade kommen wir nur raus, wenn wir Second-Hand-Shoppen einfacher für den Kunden machen. Nicht jeder hat Zeit oder auch Lust, sich ewig durch einen Store zu wühlen oder auf eBay nach dem einen Teil zu suchen. Wenn man es schafft, gut sortierte und simple Online-Second-Hand-Stores zu eröffnen, kann das mehr als nur ein Trend werden!

Während der Corona-Phase habe ich mich sehr viel in der Upcycling-Community rum getrieben, wenn man das so sagen kann, ich verfolge auf den sozialen Medien viele Menschen aus der ganzen Welt, die ihr eigenes Business gegründet haben, bei dem sie nur Upcycling und Second-Hand-Kleidung verkaufen und es ist ein wahrer Hype! Während dieses Jahres, in dem wir alle daheim waren, haben viele Menschen ihre Talente und Passionen entdeckt und angefangen aus Altem Neues zu machen und damit ihr Geld zu verdienen. Ich selber spiele mit dem Gedanken, mein eigenes Upcycling-Label zu gründen und ich glaube, dass der Trend bleiben wird, weil wir damit den Zeitgeist unserer und der nachfolgenden Generation ansprechen können.

 

Hier geht es zur Seite des Upcycling-Fashion-Wettbewerbs

 

 

Text: Joachim Klaehn