Kein Palmöl mehr in den Tank
Professor Florian Siegert von der Universität München plädiert im „Klima Forum“ für eine Renaturierung der Regenwälder in Indonesien und anderswo sowie der Moore in Deutschland.
Die Schlagzeilen waren in den letzten Jahren heftig. „Apokalypse in Kalifornien“, „Waldbrände in Sibirien“, „Indonesien-Dunst: Warum brennen die Wälder immer weiter?“, „Australiens apokalyptische Feuer“, „Brasilien erlebt den schlimmsten Start der Feuersaison im Amazonas-Gebiet seit zehn Jahren“, um nur einige Beispiele zu nennen
Sehr plakativ und äußerst kurzweilig gestaltet Professor Florian Siegert von der Ludwig-Maximilians-Universität München seinen Vortrag in der KLIMA ARENA. Seit rund 25 Jahren geht der Biologe der Frage nach, warum die Regenwälder auf unserer Erde brennen. „Es ist ja überall Wasser. Eigentlich ist es unmöglich, dass der Regenwald brennt“, so Siegert über einen grundsätzlichen Widerspruch.
Doch die Gäste in der Reihe „Klima Forum“ werden aufgeklärt.
Mit Schaubildern, Grafiken, Daten, Zahlen und Fakten – und so ermöglicht das Thema „Die tropischen Regenwälder brennen – was hat das mit uns zu tun?“ jede Menge Eindrücke und Erkenntnisgewinn. Florian Siegert und Anja Hoffmann von der Klima Arena verbindet vieles. Sie haben lange zusammengearbeitet, waren mehrfach gemeinsam in den Tropen unterwegs und erkundeten insbesondere Indonesien. Ein riesiges Land, mit einer spektakulären Natur und wunderbaren, friedliebenden Menschen. Freilich sieht die Realität in Südostasien oft bedrohlich aus. Bei unkontrollierten Bränden in Indonesien breiten sich Dunst und Nebel über Tausende von Kilometern aus, bis nach Thailand und Malaysia, sowie bis nach Singapur. Milliarden Dollar an Werten werden dadurch vernichtet, Schulen müssen geschlossen werden, Leute sterben oder leiden unter Infektionskrankheiten. Die Folge- und Nebenwirkungen stehen für ein Desaster.
Die Auswirkungen auf den Treibhauseffekt sind ebenfalls verheerend. Florian Siegert konstatiert, dass Waldbrände und die Rodung von Wäldern mit 7 bis 15 Prozent zu den globalen Emissionen beitragen. Der gewaltige Anstieg der CO2-Konzentration, der globalen Mitteltemperatur und die exponentielle Entwicklung der Weltbevölkerung stellen monströse Herausforderungen dar. „Für jede Verdopplung des CO2 steigt die globale Mitteltemperatur um rund 3,4 Grad“, beruft sich Siegert auf die aktuelle Quelle „Tierney et al., Nature“ vom August 2020. Von 1,5 oder 2 Grad, wie im Pariser Abkommen 2015 avisiert, ist dies weit entfernt. Absurd und alarmierend: Auf Spitzbergen wurden am 25. Juli 2020 exakt 21,7 Grad gemessen.
Die genaue Erfassung und Analyse von Vorgängen gestattet die Satellitentechnologie. Dank mittlerweile über 200 Satelliten kann jeder Winkel und noch so kleine Fleck der Erdoberfläche gescannt werden. So wird auch die Dramatik in den Regenwäldern ersichtlich, die circa 7 Prozent der Erdoberfläche bedecken: Das nicht mehr geschlossene Kronendach, der Kahlschlag, die ausgetrockneten Böden, künstliche Kanalsysteme, die den Abtransport des Holzes erleichtern sollen. „Wir haben Leute beobachtet“, erzählt Florian Siegert, „die dafür bezahlt werden, um Feuer zu legen.“ Es geht den Profiteuren um Kommerz. Um den Verkauf der Hölzer, um den Aufbau von Monokulturen wie Palmöl, Soja, Zuckerrohr, Viehzucht. Und hierbei ist Feuer die kostengünstigste Art, den Wald für Plantagen zu roden. Ein Teufelskreis.
Ein spezieller Typ sind Torfbrände. Torf brennt wie Zunder – und ist besonders emissionslastig. 2015 etwa wurden 3,3 Prozent der gesamten Fläche Indonesiens verbrannt. Dies entspricht der Landesfläche der Schweiz. Die Umwandlung eines artenreichen Regenwaldes in eine baumlose Savanne scheint unabwendbar. Eine Regeneration der Regenwälder würde laut Siegert mindestens 50 Jahre dauern.
Als einer der wichtigsten Rohstoffe gilt Palmöl, die größten Verbraucher davon sind Indien, China, aber auch die EU. Hier weist Florian Siegert auf eine unglückselige Entscheidung des Europäischen Parlaments hin. Am 23. April 2009 wurde nämlich die Erneuerbare-Energien-Richtlinie beschlossen. Dies trieb die Preise in die Höhe und gestattete bis zu 15 Prozent Palmöl Dieseltanks beizumischen. „Eine sehr unglückliche Sache, dass wir Palmöl als Zutat von Kraftstoff zulassen“, sagt Siegert. Inzwischen dominiert Indonesien gemeinsam mit Malaysia zu rund 90 Prozent den Weltmarkt. Die indonesische Regierung plant eine Erweiterung der Anbaufläche, die der Größe Großbritanniens entsprechen würde. Dies ist an Brisanz kaum zu überbieten, denn der Anbau von Palmöl auf Torf wiederum setzt die 5- bis 10-fache Menge an CO2 frei.
Deutsche Wissenschaftler, darunter Florian Siegert, beraten inzwischen die dortige Regierung. Ein Renaturierungsprojekt gestörter Torfgebiete wird direkt Indonesiens Präsident Joko Widodo unterstellt. Als Grundlage dient Kartierung, Kanäle müssen mit Staudämmen verschlossen werden, damit das Wasser im Torfmoor gespeichert bleibt. Eine Verbessserung der Planung sowie des gesamten Managements ist dringend erforderlich.
Was können wir als einzelne Verbraucher tun?
Es sei keine Lösung, Palmöl in Nahrungsmitteln zu verbieten, weil in den tropischen Ländern hunderttausende Arbeitsplätze davon abhängen. Wenn Palmöl nicht mehr gehandelt wird, dann wird der Regenwald für andere Agrarprodukte gerodet, die einen noch viel höheren Flächenverbrauch haben, meint Siegert. Und auch ein Stopp des Nutella-Konsums helfe nicht weiter, wie er scherzhaft ergänzt. Man könne aber auf Palmöl aus nachhaltiger Produktion achten, was an verschiedenen Labels auf der Lebensmittelverpackung zu erkennen sei. Außerdem empfiehlt er, trockengelegte Moore in Deutschland, die für 2 bis 3 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich sind, wieder zu verwässern und die betroffenen Landwirte adäquat zu entschädigen. „Klimaschutz sollte dort stattfinden, wo er sich am meisten lohnt“, zitiert Florian Siegert gerne den deutschen Ex-Wirtschaftswaisen Christoph Schmidt.
Der 62-jährige, weitgereiste Biologe Siegert hält nicht allzuviel von CO2-Kompensation. Ein bisschen weniger Fliegen bilde keinen Ausgleich zu den krassen Vorgängen in Indonesien oder Brasilien: „Die Skala ist zu klein“, erläutert er, „wir sollten lieber die deutschen Moore renaturieren. Und generell Lebensmittel zu vertanken, ist einfach Unsinn! Meine Forderung ist deswegen, Palmöl als Biokraftstoff nicht mehr zu verwenden.“ Der Münchner spricht sich ferner dafür aus, den Ausbau von Erneuerbaren Energien voranzutreiben und über einen vernünftigen Lebensstil in Sachen Ernährung nachzudenken.
Florian Siegert ist aber gewiss kein Sozialromantiker, sondern ein erfahrener Wissenschaftler. Und für seine Fachkompetenz und Erzähldichte bekam er beim „Klima Forum“ reichlich Applaus.
Text: Joachim Klaehn