In 24 Metern Tiefe
Premiere des „Klima Forum“: Professor Wagners Vortrag über den „Homo heidelbergensis“
Schon allein der Fund ist eine höchst spannende Angelegenheit. Der Privatgelehrte Professor Otto Schoetensack fand Skelettfragmente eines Waldelefanten bereits 1887 – und war sich ziemlich sicher, auch menschliche Überreste zu finden. Am 21. Oktober 1907 hatte bei Grabungen in der Maurer Sandgrube Grafenhain der Sandarbeiter Daniel Hartmann einen fossilen menschlichen Unterkiefer auf der Schaufel. In einer sehr alten Schicht, in 24 Metern Tiefe – daraufhin ordnete Schoetensack das Fossil nach einer zahnärztlichen Untersuchung der Gattung Homo, also dem Menschen zu und nannte es „Homo heidelbergensis“. Die Bezeichnung „Homo sapiens“ traute er sich dann doch nicht …
In einem launigen Vortrag unterhielt Professor Günther Wagner vom Geographischen Institut der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg das Corona-bedingt auf 25 Gäste beschränkte Publikum auf der Eventfläche der KLIMA ARENA. Einer darunter hatte sogar einen Koffer voller selbst gesammelter Steine mitgebracht, die teilweise Ritzungen aufwiesen und womöglich einst als Werkzeuge dienten.
Wagner zeichnete die Landschaft, Flora und Fauna des Neckartals und des Kraichgaus nach und gab Einblicke in die klimatischen Verhältnisse vor über 600.000 Jahren. „Es war ungefähr zwei Grad wärmer als heute“, berief sich Wagner auf Isotopenuntersuchungen. Genauer gesagt: Die Durchschnittstemperatur der heutigen Gemeinde Mauer liegt bei 10,6 Grad, zu Zeiten des „Homo heidelbergensis“ waren es 12,6 Grad. Die Tatsache, dass einst Flusspferde in der alten Neckarschleife des Wiesenbacher Trockentals lebten, ist ein untrüglicher Hinweis dafür, dass die Gewässer immer eisfrei gewesen sein müssen.
Eine besonders schwierige Angelegenheit stellte die Datierung des Unterkiefers dar. Erst vor zehn Jahren gelang es nach diversen wissenschaftlichen, interdisziplinär ausgerichteten Ausschlussverfahren, das Alter des „Homo heidelbergensis“ recht exakt zu bestimmen. „Das Klimaarchiv funktioniert wie ein Klimabuch“, sagte Experte Wagner, „man muss es nur lesen können.“ Ergo: Rund 609.000 Jahre alt ist der zum Zeitpunkt des Fundes in zwei Teile gebrochene, mächtige Kiefer.
„Das war ein klimahistorisches Thema“, erklärte Dr. Bernd Welz die Premiere des sonntäglichen Formats „Klima Forum“, „der Vortrag von Professor Wagner ergänzte sehr gut unsere Sonderausstellung ‚Vielfalt im Kraichgau‘.“ Jedem der Besucher wurde klar, dass es an den Schleifen des Neckars und im Kraichgau mal anders ausgesehen hat. Und Günther Wagner spannte den Bogen: „Das Klima ist stets der Motor für die Evolutionsgeschichte.“
Mineralogin Dr. Cornelia Sussieck und Biologe Dietrich Wegner, die beiden Vorstände der Stiftung Urmensch von Mauer, gaben sich rundum zufrieden. „Es tut gut, wieder unter Leuten zu sein“, konstatierte Cornelia Sussieck und wies auf die bestehende Kooperation mit der KLIMA ARENA hin, „für uns war es fast ein Heimspiel. Und das Thema Klima haben wir ja schließlich gemeinsam.“
Text: Joachim Klaehn