26. Juli 2021

„Earth Overshoot Day“: Wir Deutschen bräuchten sogar drei Erden

Was uns Menschen weltweit die Erde an Ressourcen jährlich zur Verfügung stellen kann, ist nach knapp 7 Monaten aufgebraucht. Wir leben praktisch auf Pump. Das zeigt der „Earth Overshoot Day“, der dieses Jahr bereits am 29. Juli 2021 stattfindet. Im Interview erklärt Dr. Reinhardt, ifeu Institut Heidelberg, was dieser Tag langfristig für uns bedeutet und wie wir mit unseren Ressourcen nachhaltiger umgehen können. Das ifeu hat dazu auch ein neues Exponat in der KLIMA ARENA in Sinsheim gestaltet.

Dr. Guido Reinhardt Foto: ifeu – Institut für Energie- und Umweltforschung Heidelberg gGmbH

Am 29. Juli ist „Earth Overshoot Day“ oder auch „Welterschöpfungstag“. Ab diesem Stichtag verbrauchen wir Menschen weltweit mehr Ressourcen als die Erde binnen eines Jahres regenerieren kann. Das restliche Jahr leben wir von den Ressourcen der zukünftigen Generationen. Um nicht zulasten unserer Kinder und Enkel zu leben, müssten wir in Deutschland unseren Ressourcenverbrauch sogar um zwei Drittel reduzieren. Die Rolle unseres Alltagsverhaltens, das sich im „ökologischen Fußabdruck“ abbilden lässt, erklärt Dr. Reinhardt vom Institut für Energie und Umwelt Heidelberg im Interview. Dr. Reinhardt ist Fachbereichsleiter für Biomasse und Ernährung mit einem besonderen Schwerpunkt auf Nachhaltigkeitsbewertung.

„Der Tag dient dazu, dieses Thema zu visualisieren und die Bevölkerung darauf aufmerksam zu machen.“

Der German Overshoot Day, die deutsche Entsprechung, war bereits am 5. Mai und damit deutlich früher. „Es ist einfach klar, dass wir in Deutschland und in der entwickelten Welt ein Vielfaches an Ressourcen in Anspruch nehmen als Menschen in anderen Ländern“, so auch Dr. Reinhardt. Deutschland liegt auf Platz 5 der Länder mit dem höchsten Ressourcenverbrauch. Grund dafür sind vor allem der hohe Alltagskonsum und die Mobilität.

CO2 Emissionen sind dabei nur ein Teil des vielschichtigen ökologischen Fußabdrucks. „Zum Fußabdruck zählt eine ganze Reihe von ökologischen Aspekten, welche sich je nach Sektor unterscheiden“, erklärt Dr. Reinhardt. Das Hauptaugenmerk liegt dabei auf der Lebensmittelproduktion. Hier sind, neben CO2-Emissionen, vor allem auch Wasserverbrauch, Flächenbelegung und Phosphatverbrauch von großer Bedeutung. Kein Sektor benötigt so viele dieser Ressourcen wie die Landwirtschaft. Dr. Reinhardt verdeutlicht, wie knapp die Vorkommen sind: „Bereits heute bestehen schon große Konkurrenzen und teilweise sogar Auseinandersetzungen um den Zugang und die Verteilung dieser Ressourcen“. Gerade deshalb ist es wichtig, alle vier Aspekte zusammenhängend zu betrachten.

„Die einfachste Regel ist, keine oder wenig Lebensmittel zu kaufen, die aus wasserarmen Regionen importiert werden. Im Schnitt verbrauchen wir Deutschen pro Kopf 4.000 Liter Wasser an einem einzigen Tag – ein Großteil davon fällt auf unseren Lebensmittelkonsum zurück. Dr. Reinhardt erklärt: „Der Wasser-Fußabdruck setzt sich grundsätzlich aus der Menge Wasser zusammen, die benötigt wird, um ein Produkt zu produzieren. Zusätzlich wird dabei aber auch berücksichtigt, dass Wasser in wasserarmen Gegenden wertvoller ist als in wasserreichen“. Dabei spielt vor allem die künstliche Bewässerung die Hauptrolle, aber auch andere Bereiche, wie die Säuberung der Feldfrüchte nach der Ernte. Tierische Lebensmittel wie Fleisch, Milch(-produkte) und Eier haben einen noch größeren Wasser-Fußabdruck.

Der Flächenfußabdruck berechnet, wie viel Fläche zur Produktion von Lebensmitteln benötigt wird und wie sich dieser Bedarf auf die Umwelt auswirkt. Dabei spielt auch die ökologisch korrekte Nutzung der vorhandenen Flächen eine Rolle. Besonders bedenklich ist, wenn Wälder gerodet oder Moore trockengelegt werden, um landwirtschaftliche Fläche zu gewinnen. Denn, „es gibt bereits genügend benutzbare Flächen“, so Dr. Reinhardt. Eine Lösung ist die Nutzung sogenannter Marginal-Flächen. Auf diesen wird aus meist wirtschaftlichen Gründen kein Anbau betrieben. Ein Fehler, meint Dr. Reinhardt, denn „eine zukünftige Nutzung kann den Flächenfußabdruck deutlich verändern“. Für Ackerland gilt aber allgemein die Devise: „Mehr Naturschutz, mehr Umweltschutz und eine gesamt nachhaltigere Nutzung“. Eine gute Entwicklung attestiert Dr. Reinhardt dem Kraichgau: „Es gibt viele Kleinflächen und Streuobstwiesen sowie eine große Anzahl an verschiedenen Kulturen“. Dennoch empfiehlt er für den Kraichgau drei Maßnahmen, um dort eine langfristig nachhaltige Landwirtschaft zu gewährleisten: „Kein Verlust existierender landwirtschaftlicher Flächen durch Bebauung, keine Flurbereinigung und eine Erhöhung des Bioanbauanteils“.

„Ich würde jedem empfehlen, sich über die Beispiele im Klima-Supermarkt zu informieren, anstatt für sich selbst jeden Fußabdruck einzeln anzuschauen.“

Ökologischer Fußabdruck / Exponat in der Klima Arena

Der vierte und letzte Teil des ökologischen Fußabdrucks ist der Phosphatabdruck. Phosphate finden sich in der Regel in Düngemittel in der landwirtschaftlichen Produktion oder als Zusatz zu verarbeiteten Lebensmitteln wieder. Da der Phosphat-Fußabdruck etwas schwieriger zu veranschaulichen ist, ist ein Besuch im Klima-Supermarkt in der KLIMA ARENA eine hervorragende Möglichkeit, um sich zu informieren und Empfehlungen zu erhalten. Dieser befasst sich mit der Komplexität des ökologischen Fußabdrucks und gibt Impulse, seinen eigenen zu verringern. Der Ausstellungsbereich wurde gemeinsam mit dem Institut für Energie und Umwelt Heidelberg (ifeu) weiterentwickelt.

Die eigenen Fußabdrücke zu verbessern ist relativ einfach: Biologisch, regional und saisonal einkaufen – und bei Import-Lebensmitteln fair gehandelte. Um einen großen Umbruch zu erreichen, ist die Politik gefordert. Auch hier können sich Verbraucherinnen und Verbraucher engagieren. „Werden Sie politisch aktiv, nicht nur bei Wahlen, sondern vor allem auch durch Umweltverbände“, empfiehlt Dr. Reinhardt. Schon die Bereitschaft, sich mit der Herkunft der Lebensmittel auseinanderzusetzen und gegebenenfalls etwas mehr für Lebensmittel zu zahlen, könne einen großen Einfluss haben. Neue Technologien, wie das Laborfleisch, sieht er kontrovers. Denn klar ist: Die Nachhaltigkeit einer Massenproduktion ist zweifelhaft und die letztendliche Verbesserung der Fußabdrücke ist noch nicht ausreichend untersucht. Die Gefahr sieht er darin, dass wieder einmal eine technische Lösung gesucht wird, anstatt das Übel an der Wurzel zu packen. „Wir sollten andere Wege gehen und unsere Nahrungs- und Lebensstile entsprechend hinterfragen“, fordert Dr. Reinhardt.

Wer sich ausführlicher über den Earth Overshoot Day und die verschiedenen Fußabdrücke in der Lebensmittelproduktion informieren möchte, ist herzlich in die KLIMA ARENA Sinsheim eingeladen. Auch Dr. Reinhardt empfiehlt: „Die KLIMA ARENA in Sinsheim ist großartig, um den Konsumentinnen und Konsumenten Beispiele auf den Weg zu geben, wie sie selbst etwas machen können“. Weitere Informationen finden Sie auf den Webseiten der KLIMA ARENA (https://klima-arena.de/) und des ifeu (https://www.ifeu.de/).