7. Juni 2021

Klima Forum am 16. Juni: „Die Ozeane im Klimawandel“

Mojib Latif: „Was man liebt, das schützt man“

Der 8. Juni (Mittwoch) ist der Welttag der Ozeane. Prof. Dr. Mojib Latif (66) ist einer der bekanntesten deutschen Meteorologen und Klimaforscher. Der Leiter der Abteilung Maritime Meteorologie am GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung Kiel ist zudem Botschafter der KLIMA ARENA in Sinsheim, die seit dem 22. Mai wieder geöffnet ist. Am 16. Juni (Mittwoch, 19.00 Uhr) hält der gebürtige Hamburger im Klima Forum der KLIMA ARENA einen Online-Vortrag mit dem Thema „Die Ozeane im Klimawandel“. Vorab gab der Wissenschaftler zur Einstimmung auf den Vortrag ein Interview.

Die Klimaerwärmung ist ein lebensbedrohliches Problem für die Menschheit. Die Ozeane spielen beim Klimawandel eine immens wichtige Rolle. Sie sollen sich in den vergangenen 100 Jahren um 0,6 Grad erwärmt haben. Das hört sich für einen Laien nicht wirklich dramatisch an. Wo liegt hier das Problem?

„Man denkt ja immer, das ist wenig. Aber für tropische Korallen zum Beispiel ist ein halbes Grad schon verdammt viel, weil sie gleichbleibende Temperaturen gewöhnt sind. Wenn es dauerhaft 0,5 Grad zu warm ist, nimmt die Wahrscheinlichkeit stark zu, dass sie sterben. Wenn sich die Temperaturen ändern, verändert sich auch das Verhältnis zwischen Nahrung und Räubern, sodass es zu einer Entkopplung von Nahrungsketten in den Ozeanen kommt. Man denkt, wenn es ein halbes Grad wärmer ist, betrifft uns das nicht. Aber Ökosysteme sind extrem empfindlich, sie haben sich ja eingespielt in Jahrtausenden und in Jahrmillionen. Ein halbes Grad in einigen Jahrzehnten bringt da sehr viel durcheinander.“

Bei der Erderwärmung lautet das große Ziel, sie bei 1,5 Grad einzudämmen. Liegen die Risiken bei den Ozeanen schon deutlich darunter?

„Die 1,5 Grad beziehen sich ja auf den globalen Mittelwert. Und die Landregionen erwärmen sich viel schneller als die Meeresregion. Das heißt, über Land ist es entsprechend mehr. Wenn wir über 1,5 Grad sprechen, dann sind das über Land mindestens zwei, zweieinhalb Grad, und dann bleibt eben entsprechend weniger für den Ozean übrig. Das reicht aber schon, um die marinen Ökosysteme zu stressen, wie das Beispiel der Korallen zeigt. Aber die Temperatur ist nur ein Aspekt. Die Ozeane nehmen auch etwa ein Viertel des CO2 auf, das die Menschheit ausstößt. Daraus folgt eine Versauerung des Meerwassers, was den Ökosystemen ebenfalls zusetzt. Dazu kommt noch die Verschmutzung. Alles zusammen macht letzten Endes die enorme Bedrohung aus.“

Die Ozeane bedecken 71 Prozent der Erde. Ist schon umfassend dokumentiert, welche Gefahr vom Wandel mit seinen negativen Folgen ausgeht?

„Das ist natürlich schwierig, weil man wegen der Größe der Ozeane nicht überall messen kann. Aber es sind schon genügend gravierende Probleme bekannt, dafür muss man sich nur das Plastik angucken. Es ist schon in ein paar tausend Metern Tiefe zu finden, zum Beispiel in der Arktis. Es ist der Wahnsinn, wie stark die Meere eigentlich schon belastet sind. Und am Ende hängen wir doch alle von intakten Meeren ab.“

Stark in den Blickpunkt gerückt ist auch das Thema, dass die Eismassen in Arktis und Antarktis offenbar noch schneller schmelzen als ohnehin befürchtet.

„Es handelt sich um einen selbstverstärkenden Prozess. Je wärmer es wird, desto mehr Eis schmilzt, umso stärker zerbröseln die großen kontinentalen Eismassen Grönlands und der Antarktis, und umso schneller steigen dann die Meeresspiegel, für den wir seit Beginn des 20. Jahrhunderts sehr gute Messungen haben. Seit einigen Jahrzehnten sieht man sehr deutlich, wie sich der Anstieg beschleunigt. Er steigt exponentiell. Wir wissen inzwischen durch die Corona-Pandemie, was exponentielles Wachstum ist.“

Ist es eine Lösung, dann die Deiche höherzuziehen, wie es sich entwickelte Länder durchaus leisten können?

„An der Nord- und der Ostseeküste werden die Deiche ja schon erhöht. Man bezeichnet sie verniedlichend als Klimadeiche. Aber die armen Länder können das natürlich nicht, obwohl gerade sie besonders betroffen sind, denn der Meeresspiegelanstieg ist nicht überall gleich. Gerade im westlichen tropischen Pazifik, wo sich die tiefliegenden Inseln befinden, aber auch im tropischen Indischen Ozean, steigt der Meeresspiegel ungefähr doppelt so schnell wie im globalen Durchschnitt. Die Menschen dort sind jetzt schon direkt betroffen, das passiert nicht erst in hundert Jahren.“

Es gibt auch noch das Horrorszenario, die Meeresströmungen wie der Golfstrom könnten zusammenbrechen. Kann man da schon Veränderungen feststellen, dass diese Gefahr wirklich so real ist?

„Das Horrorszenario ist sehr stark geprägt worden von dem Film ‚The Day After Tomorrow‘ von Roland Emmerich. Wenn sich der Golfstrom massiv abschwächen sollte, passiert das aufgrund der globalen Erwärmung. Und die Erwärmung gewinnt immer gegenüber der Abkühlung. Das heißt, wir sprechen nie über Eiszeit, sondern immer über Heißzeit.“

Der Kraichgau und die Kurpfalz sind vom Meer weit entfernt. Was haben die Ozeane eigentlich mit den Regionen zu tun, die nicht an der Küste liegen?

„Das ist einfach zu erklären, weil in einer wärmeren Welt natürlich auch mehr Wasser von den Ozeanen verdunstet, sodass dauerhaft mehr Energie in der Luft ist. Bei einer entsprechenden Wetterlage können dann die Extreme stärker ausfallen. Hurrikans können stärker werden, aber auch bei uns die Starkniederschläge, mit denen die Überschwemmungen zunehmen. Das Wasser verdunstet zwar über dem Meer, kommt dann aber bei uns als Regen runter. Auch der Kraichgau wird also stärker vom Meer beeinflusst als man glaubt.“

Ihr spannender Vortrag beim Richtfest der Klima Arena im Sommer 2018 hat Eindruck hinterlassen, weil Sie allgemein verständlich sprechen. Zudem belegen Sie vieles mit anschaulichem Material. Was haben Sie bei Ihrem Klima-Arena-Vortrag am 16. Juni, an dem jeder online teilnehmen kann, vor?

„Ich werde auch interessante Geschichten aus den Ozeanen erzählen und die Faszination unserer Meere darstellen. Man kann den Leuten ja nicht nur die Bedrohung schildern. Was man liebt, das schützt man – so werde ich den Vortrag beginnen. Dann werde ich auf die Bedrohung eingehen, vor allem auf den Klimawandel und das große Plastikproblem. Es gibt natürlich viel mehr Dinge, aber die Zeit für einen Vortrag ist begrenzt.“