Klimaneutral – Was heißt das eigentlich?

Habt Ihr schon einmal das Wort klimaneutral gegoogelt? Da findet ihr zuerst – oh Wunder – nicht unseren YouTube Kanal, sondern erstmal einen Haufen Anzeigen. Große Konzerne und Banken, Reiseunternehmen und Dienstleister bis hin zu kleinen Privatfirmen: So ziemlich jeder will aktuell klimaneutral sein oder werden. Und nicht nur Unternehmen machen damit Werbung. Es gibt auch klimaneutrale Klamotten, Zeitschriften, Kaffeebecher und vieles mehr.

Aber wie können ein Großkonzern und ein T-Shirt auf dieselbe Weise klimaneutral sein? Und was bedeutet Klimaneutralität überhaupt? Genau darum geht es in diesem Video!

Grundlagen Klimaneutralität

Fangen wir doch mit dem Begriff an sich an – klimaneutral. Wir könnten es uns natürlich leicht machen und euch einfach die Definition von Klimaneutralität aus dem Duden servieren. Dann wäre dieses Video allerdings sehr kurz und die Frage nach dem T-Shirt und dem Großkonzern bliebe unbeantwortet. Trotzdem ist sie vielleicht ein guter Startpunkt:

Etwas, das klimaneutral ist, beeinflusst das Klima weder positiv noch negativ.[1] Soweit logisch. Dann dürfte sich aber kein Unternehmen oder Produkt der Welt klimaneutral nennen, denn bei so gut wie jeder Herstellung und jeder Dienstleistung werden Energie und Ressourcen verbraucht und damit auch CO2 freigesetzt. Wenn wir also nicht alle als Selbstversorger aus unserem eigenen Garten leben wollen – und selbst das ist nicht ganz klimaneutral – dann müssen wir unseren Begriff der Klimaneutralität erweitern.

Schauen wir uns dazu doch mal ein paar Zahlen an. Jeder von uns erzeugt laut des Statistischen Amts der EU „eurostat“ im Jahr 11,3 Tonnen CO2. Damit liegen wir in Deutschland mit unserem sogenannten „carbon footprint“ deutlich über dem europäischen Durchschnitt von 8,8 Tonnen.[2] Bei knapp 83 Millionen Menschen blasen wir in Deutschland also jedes Jahr fast 938 Millionen Tonnen CO2 in unsere Atmosphäre. Eine ziemliche Hausnummer; und das sind nur die privaten Haushalte. Ihr könnt euch vorstellen, wie groß unser CO2-Fußabdruck ist, wenn wir da noch Industrie und Wirtschaft addieren. Wir wissen, welche Auswirkungen Treibhausgase wie CO2 auf das Klima haben – falls ihr dazu eine Auffrischung braucht, klickt einfach hier oben auf das i.

Wenn wir dem Klimawandel etwas entgegensetzen und das 1,5-Grad-Ziel erreichen wollen, müssen wir uns an das verbleibende CO2-Budget halten. Und das ist nicht besonders groß. Das Forschungsinstitut MCC in Berlin hat das in einer CO2-Uhr veranschaulicht. Beim derzeitigen Verbrauch von circa 42 Gigatonnen CO2 im Jahr bleiben der Menschheit noch etwas weniger als 7 Jahre, bis das Budget aufgebraucht ist.[3] Das Jahr 2027 wäre also derzeit die Deadline – nur, dass die Bundesrepublik Deutschland erst bis 2050 klimaneutral sein will. Das zumindest hat sie im November 2016 mit dem Klimaschutzplan 2050 beschlossen.[4] Es gibt also zwei Möglichkeiten: Entweder wir machen so weiter wie bisher, dann müssten wir aber schon 2027 unsere CO2 Bilanz auf 0 reduzieren. Das ist aber faktisch unmöglich. Um zumindest unter 2 Grad zu bleiben, kann der Plan 2050 aber schon auch funktionieren, dann müssten wir aber jetzt so schnell wie möglich unsere Emissionen jedes Jahr deutlich reduzieren. Klar, wenn wir weniger verbrauchen, dann haben wir natürlich auch länger was von unserem Budget übrig. Nur dann können wir zumindest das 2 Grad-Ziel wirklich erreichen oder im besten Fall deutlich darunter bleiben. Was genau es damit auf sich hat, könnt ihr übrigens in dem Video sehen, das wir euch auf dem i verlinkt haben.

Dann ist es doch gut, dass jetzt alle möglichen Produkte und Unternehmen versuchen klimaneutral zu werden, oder? Naja, mehr oder weniger.

1. Klimaneutral bei Produkten

Natürlich ist es wünschenswert, dass viele Firmen und deren Waren und Dienstleistungen klimaneutral sind. Wie vorhin festgestellt, ist es aber nicht machbar zum Beispiel eine Bank nach denselben Standards zu bewerten wie einen Pappbecher. Wir brauchen also unterschiedliche Definitionen von Klimaneutralität.

Nehmen wir uns doch zunächst mal die Produkte vor. Sagen wir eine Beispielfirma produziert T-Shirts. Schon bei der Gewinnung von Rohstoffen – in diesem Fall der Baumwolle – der Produktion als auch bei Lagerung und Vertrieb der Kleidung fallen Treibhausgase wie CO2 an. Um die T-Shirts als „klimaneutral“ vermarkten zu können, müssen diese Emissionen auf null reduziert werden. Die Firma hat dafür zwei Möglichkeiten:

klimaneutrale Produkte

Möglichkeit 1 wäre, der Kleidungshersteller passt seine eigenen Prozesse an. Das bedeutet in unserem Fall zum Beispiel, dass nachhaltige Baumwolle für die T-Shirts verwendet wird und die Produktionsanlagen mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Es werden klimafreundliche Rohstoffe und klimafreundliche Energie zur Herstellung genutzt. Auch im Vertrieb wird CO2 eingespart, beispielsweise durch Streckenminimierung oder den Verzicht auf unnötiges oder klimaschädliches Verpackungsmaterial. Unser imaginäres Kleidungsunternehmen würde damit eine Prozessoptimierung – auch CO2-Reduktion genannt – betreiben. Das würde das eigene Produkt verbessern und klimafreundlicher machen. Allerdings bliebe dabei am Ende immer noch ein Rest an CO2-Ausstoß übrig, den man kompensieren müsste, um wirklich klimaneutral zu sein. Diese Variante ist meistens aber teurer und aufwändiger als Möglichkeit Nummer 2.

Die andere Option unser T-Shirt „klimaneutral“ zu machen lagert das Problem aus. Die Treibhausgase werden nicht am Ort der Entstehung, sondern irgendwo anders in der Welt in gleicher Menge kompensiert. Meistens dort, wo es billiger ist als hier bei uns. Diesen Ausgleich nennt man auch CO2-Kompensation, habt ihr bestimmt schonmal gehört. In unserem Beispiel würde das bedeuten, die Firma mit den T-Shirts zahlt Geld an eine andere Organisation. Dafür erhält sie ein Zertifikat, das besagt, dass die entstandenen Emissionen kompensiert wurden, also die Menge an entstandenem CO2 wieder aus der Atmosphäre entnommen wird. Diese Zertifikate sind übrigens nicht zu verwechseln mit den Emissionszertifikaten, die gesetzlich vorgeschrieben sind. Die sollen zwar auch zur Verringerung von Schadstoffemissionen beitragen, haben aber mit Klimaneutralität erstmal nichts zu tun. Wenn ihr mehr dazu wissen wollt, schaut in die Infobox, da haben wir euch etwas dazu verlinkt

Wie das CO2 kompensiert wird, hängt dann von der jeweiligen Organisation ab. Das kann alles sein vom Bäume pflanzen über energetische Gebäudesanierung bis hin zu Naturschutzmaßnahmen. Die Hauptsache ist: Mit diesen Projekten wird der Ausstoß von klimaschädlichen Gasen in die Atmosphäre reduziert.

klimaneutrale Kleidung

Sowohl bei der Prozessoptimierung als auch bei der CO2-Kompensation gelangt am Ende weniger Kohlendioxid in die Atmosphäre. Und unser Produkt, also die T-Shirts, dürfen sich klimaneutral nennen. Ist es also egal, für welche Variante sich der Hersteller entscheidet? Nicht ganz. Die Variante mit der CO2-Kompensation verlagert die Entstehung von CO2 nur. Industrienationen können sich so also einfach ein größeres CO2-Budget kaufen und dafür weiter klimaschädlich weiterproduzieren. Damit kann die CO2-Kompensation zu einer Art Freifahrtschein werden und das geht zu Lasten von Schwellen- und Entwicklungsländern und zu Lasten der kommenden Generationen. Das hilft kurzfristig, langfristig sollten wir aber hier unsere Produktionsprozesse verändern.

Dazu noch ein Beispiel der Deutschen Umwelthilfe[5]: Das Mineralölunternehmen BP verkauft für einen geringen Aufpreis „klimaneutrales Heizöl“. Das Geld wird in Klimaschutzprojekte in aller Welt investiert und dort genau die Menge CO2 eingespart, die beim Verbrennen des Heizöls erzeugt wird. Der Heizölverbrauch bleibt jedoch wie er ist. Energiesparen oder gar die Umstellung auf einen anderen, klimafreundlichen Heizstoff werden nicht vorangetrieben. Kompensation ist also eine Anleihe auf die Zukunft.

2. Klimaneutral bei Unternehmen

Versteht mich bitte nicht falsch: Ich will damit nicht sagen, dass wir die CO2-Kompensation lassen sollten. Seine CO2-Emissionen transparent zu machen und einen Ausgleichsbetrag zu zahlen, ist besser als nichts zu tun. Die Kompensation ist also ein Schritt in die richtige Richtung. Wichtig wäre aber, dass sich möglichst viele Unternehmen stattdessen auch für die Prozessoptimierung entscheiden.

Am Ende bleibt aber für und als Verbraucher ein Problem: Ein Unternehmen, das sich klimaneutral nennt, kann irgendwo auf dem Spektrum liegen zwischen „Wir haben nichts verändert, sondern kaufen uns einfach Kompensationszertifikate“ und „Wir haben unseren Prozess optimiert und zahlen bloß noch für unvermeidbare Emissionen eine Kompensation“.

klimaneutral Gütesiegel

Für deutsche Unternehmen gibt es da zumindest eine Lösung – ein Gütesiegel.[6] Jedes Gewerbe kann für sein Unternehmen oder sein Produkt beim TÜV ein Klimaneutralitätszertifikat bekommen. Die Prüfstelle erstellt und verifiziert eine Treibhausgasbilanz und legt anhand dieser Bilanz Maßnahmen fest, um die Emissionen des Unternehmens zu reduzieren. Auch eine Kompensation des unvermeidbaren CO2-Ausstoßes kann direkt über den TÜV erfolgen. Nur wenn das Unternehmen diese Maßnahmen umsetzt erhält es das Prüfsiegel „Klimaneutralität“.

Wenn ihr also wissen wollt, ob ein Konzern sich einfach mit Kompensationszertifikaten schmückt, oder wirklich etwas an seinen Prozessen verändert hat, sucht doch mal nach diesem (Einblendung?) Zertifikat.

3. Klimaneutral im Alltag

Wenn wir jetzt in diesem Video Produkte und Unternehmen zu ihrer Klimaneutralität hinterfragen, dann kommen wir nicht drum herum, das für uns selbst zu machen. Ich will jetzt auf keinen Fall den Moralapostel spielen, aber wir können nun mal bei uns selbst am einfachsten anfangen. Wie vorhin gesagt: 11,3 Tonnen CO2 verbraucht jeder von uns durchschnittlich im Jahr. Und traurig, aber wahr: Niemand von uns kann von heute auf morgen CO2-neutral leben. Selbst wenn ich jetzt nie wieder fliege, meine Lebensmittel nur noch selbst anbaue und keine Dienstleistungen mehr in Anspruch nehme, könnte ich meinen Carbon Footprint nur auf maximal 5 Tonnen senken.[7] Das liegt einfach am System unserer Industrienation. Trotzdem: Wenn alle Menschen in Deutschland das machen, würden wir jährlich knapp 500 Millionen Tonnen CO2 weniger verbrauchen und das Budget unserer Erde reicht ein wenig länger. Es lohnt sich also, auch unser eigenes Leben zu prüfen[8]:

  • Hinterfragt den Ausdruck “klimaneutral”. Nur weil irgendwo klimaneutral draufsteht, heißt das nicht, dass es der Umwelt etwas bringt. Schaut nach, ob nur kompensiert wird, oder wirklich reduziert. Unterstützt Unternehmen, die innovativ sind und sich den Ausdruck klimaneutral wirklich verdient haben.
  • Checkt eure Bude: Der Bereich „Wohnen“ macht mit 36% den größten Teil eurer CO2-Emissionen aus.[9] Klar, die energetische Gebäudesanierung ist Vermietersache. Aber einen Stromvertrag für einen Anbieter, der erneuerbarer Energien nutzt, könnt ihr schon in zehn Minuten abschließen.
  • Strecken minimieren: „Verkehr“ kommt in eurer Klimabilanz direkt auf Platz 2.[10] Spart euch die großen Flugreisen für alle paar Jahre auf und macht die jährlichen zwei Wochen Urlaub in erreichbarer Nähe. Nutzt für lange Strecken die Bahn oder Mitfahrgelegenheiten und für die Kurzen tun es auch das Fahrrad oder eure Füße.

Weniger konsumieren: Neue Klamotten, Elektrogeräte, Plastikverpackung und Lebensmittel. Mit unserem Konsum geht ein großer Verbrauch von Ressourcen einher. Nur shoppen wenn es wirklich nötig ist, Lebensmittel unverpackt einkaufen und nur ein/ zweimal die Woche Fleisch – schon habt ihr nicht nur euren CO2-Verbrauch gesenkt, sondern spart auch Wasser und vermeidet Müll. Wenn euch die Sache mit dem Fleisch genauer interessiert, dann schaut gerne mal auf dem i, da haben wir ein Video dazu verlinkt, wie klimaschädlich Fleisch wirklich ist.

klimaneutral im Alltag

Fazit Klimaneutral

So, jetzt reicht es aber auch wieder mit den klugen Ratschlägen, kommen wir zum Fazit. Auch wenn der Begriff „klimaneutral“ immer häufiger verwendet wird: von einer Umstellung auf eine klimafreundliche Wirtschaftsweise in Unternehmen kann man noch nicht immer sprechen. Der Trend geht zum Kompensieren. Doch die reine Kompensation von CO2 bringt uns auf lange Sicht nicht weiter, denn sie verlagert das Problem nur nach hinten. Wirtschaft und Politik müssen also langfristiger denken. Um unsere Emissionen wirklich zu reduzieren, braucht es Anreize für Entwicklung und innovative Ideen.

Aber was meint ihr: Findet ihr CO2-Kompensation ist ausreichend, um „klimaneutral“ zu sein? Oder brauchen wir bessere Auflagen für diesen Begriff und sein Prüfsiegel? Schreibt es uns unten in die Kommentare. Wenn euch das Video gefallen hat, dann lasst gerne einen Daumen nach oben da und abonniert den Kanal, damit ihr kein Video verpasst. Hier neben mir findet ihr noch ein Video, wie klimaschädlich eigentlich Fleisch ist und hier ein Video darüber, was das 1,5-Grad-Ziel ist. Danke euch für’s zuschauen und bis zum nächsten Mal.