„Böden haben eine klimaregulierende Wirkung“
In unserer Reihe „Klima Forum“ spricht Professor Wilfried Hierold (62) über die Bedeutung der Böden. „Die Vielfalt zu schützen, dient der Stabilität unserer Umwelt“, sagt der erfahrene Wissenschaftler vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung (ZALF) in Müncheberg.
In seinem Zoom-Online-Vortrag am kommenden Sonntag (6. Dezember, 16 bis 17 Uhr) mit dem Titel „Weltbodentag. Sind Böden so wichtig?“ erklärt der in Eberswalde/Brandenburg lebende, dreifache Familienvater, warum Böden eine wertvolle, schützenswerte natürliche Ressource darstellen. Wir führten mit dem Spross von einst in der DDR-Landwirtschaft tätigen Eltern vorab folgendes Interview.
Herr Professor Hierold, am 5. Dezember ist der jährliche Weltbodentag. Welche Relevanz hat der Tag – ist das mehr als Symbolik?
Es ist ein symbolischer Tag. Mittlerweile ist er sehr wichtig für Bodenwissenschaftler, Bodenschützer und Politiker, die für die Böden, den Bodenschutz und ihr Fachgebiet Aufmerksamkeit erreichen wollen. Initiativen für Bildung zur nachhaltigen Entwicklung, Schulverwaltungen und Umweltprojekte greifen Themen um unsere Böden und deren Nutzung auf und engagieren sich das ganze Jahr für gesundere Böden und Lebensmittel. Ich bin sicher, dass Bodennutzer – Landwirte, Forstleute, Gärtner u.a. – um die Problematik der schonenden und nachhaltigen Bodennutzung wissen, eher in ihrer täglichen Arbeit als an einem Tag im Dezember.
Dieser internationale Aktionstag wurde von der Internationalen Bodenkundlichen Union (IBU) auf dem Weltkongress 2002 in Bangkok ausgerufen. Was ist das für eine Vereinigung? Welche Ziele verfolgt sie?
Die IBU ist 1924 als Dachorganisation der bodenwissenschaftlichen nationalen Gesellschaften gegründet wurden. Die Deutsche Bodenkundlichen Gesellschaft (DBG) ist Mitglied seit ihrer Gründung 1926, hat heute rund 2.500 Mitglieder und fördert die Forschung über Böden. Große internationale Fragen zum Boden sind mit Hungerbekämpfung verbunden. Auch der Schutz der Böden hat in DBG und IBU stark an Bedeutung gewonnen.
In Ihrem Vortrag gehen Sie auf die Bedeutung der Böden ein. Warum sind diese so wichtig? Ohne dass Sie uns zu viel über den Inhalt des Vortrags verraten …
Böden sind sehr vielfältig, damit auch sehr verschieden. Dennoch erfüllen alle Böden an ihren natürlichen Standorten wichtige Funktionen.
Die Vielfalt zu schützen, dient der Stabilität unserer Umwelt.
Wissenschaftler haben herausgefunden, dass in einer Handvoll Erde ungefähr acht Milliarden Lebewesen leben. Ist eine intakte Boden-Biodiversität die Basis schlechthin für ein gesundes Ökosystem?
Boden ist ein wichtiger Lebensraum. Viele Arten der Mikroorganismen kennen wir gar nicht, aber wir sehen ihre Wirkungen. Die Artenvielfalt sichert Leistungen wie die Humusbildung und eine Stabilität, weil ausfallende Arten ersetzt werden können und rasche Wiederbesiedlungen möglich sind.
Gesunde Böden, gesunde Lebensmittel
Anschlussfrage: Und – ganzheitlicher betrachtet – somit auch für die Gesundheit der Menschen?
Böden, und hier sicher die Bodenorganismen regulieren auch den CO2– Gehalt der Atmosphäre: indem Kohlenstoff als Humus im Boden gespeichert wird, gleichzeitig die Zersetzung von organischen Resten viel CO2 an die Luft abgibt. Böden haben eine klimaregulierende Wirkung. Humus trägt in entscheidendem Maße zur Bodenfruchtbarkeit bei: fruchtbare, gesunde Böden versetzen uns in die Lage, gesunde Lebensmittel zu produzieren.
Wenn man die unterschiedlichen Bodenfunktionen als Parameter heranzieht: Wo liegen die Chancen, worin bestehen denn die Risiken in puncto Nachhaltigkeit?
Nachhaltigkeit ist ein Begriff, der aus unserem Nutzungsinteresse herrührt. Nehmen wir die Ernährung, so besteht eine Notwendigkeit zur Nutzung der natürlichen Ressource Boden, um die Welternährung zu sichern. Das sind andere Probleme als unsere Luxusinteressen, auch in unserer Ernährung zeigt sich unser großes Privileg. Aus Sicht der Weltgemeinschaft geht es um genug Lebensmittel für alle. Der einzelne Bauer hingegen sieht Nachhaltigkeit in der Sicherung eines Familieneinkommens, die Gewissheit der stabilen Nutzbarkeit auch für zukünftige Generationen. Bleiben wir direkt bei unseren Böden, dann geht es darum, keinen Bodenverlust zuzulassen und die ertragsfähigen Böden zu schützen: vor Verdichtung, vor Kontaminierung, vor Austrocknung.
Wie lassen sich Böden als natürliche Ressource schützen?
Bodenschutz ist diffizil. Weil Böden so verschieden sind und die Umgebungsbedingungen stark voneinander abweichen, sind Reaktionen auf Umwelteinflüsse nicht einheitlich.
Da werden Böden zerstört, zum Beispiel durch Wassererosion, und dort hinterlassen die gleichen Wassermengen keine oder nur geringe Schäden. Prozesse zu verstehen und Lösungen zu finden,
führt in die richtige Richtung.
Besonders wichtig ist, Bodenverbrauch durch Versiegelung (beispielsweise Überbauung) stark zu reduzieren.
An Industrie, Gewerbe und Siedlungen verlorene Flächen werden so stark verändert, dass sie kaum Leistungen der vorherigen Böden erfüllen können.
Das Problem ist seit langem bekannt, Lösungen müssen Böden noch stärker schützen.
Sie sind seit rund 35 Jahren Bodenforscher: Was hat sich in dieser Zeitspanne fundamental verändert?
Die technischen Möglichkeiten in der Erfassung, Analyse und Bewertung von Böden. Fernerkundung oder Sensoren in Feld und Labor, Erfassungen von Wirkungen durch Modelle und Computer. Mehr und mehr verstehen Bodenwissenschaftler Böden als Teile der Landschaft in ihrem Nebeneinander, in ihrer gegenseitigen Beeinflussung und in ihrer eigenen Geschichte.
Wie würden Sie es einschätzen: Weiß die Bevölkerung in einem hochentwickelten Land wie Deutschland tatsächlich genug über ihre Böden?
Das fachliche Wissen und Bewusstsein um Boden haben sicherlich zugenommen. Ob es die meisten Mitmenschen erreicht, glaube ich nicht. Ich denke, dass viele Bundesbürger keinen Bezug zu Boden haben, wie bei Lebensmitteln entkoppelt sind von diesen großartigen Naturprodukten. Dabei ist die Lebensmittelproduktion durch Gärtner und Bauern noch nahe am eigenen Bedarf. Was ist aber mit der Filterfunktion von Böden bei Grundwasserbildung, der Lebensraumfunktion für Bodenorganismen oder der Geschichtsfunktion der Böden?
Text: Joachim Klaehn
© Hierold/ZALF